Diedenberger Heimatgeschichtsverein

Nr. 22

Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Kraftfahrzeug-Kennzeichnung im Rhein-Main-Raum
- I. Von den Anfängen bis zum ersten Reichsgesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (1909) -

von Claus Schuster

"Nachdem der Verkehr mit Kraftfahrzeugen fortschreitend an Bedeutung gewonnen hat, und das Bedürfnis zur einheitlichen Regelung dieses Verkehrs auch in anderen deutschen Bundesstaaten hervorgetreten ist, beabsichtigt der Herr Reichskanzler, da es an einer verfassungsmässigen Grundlage zum Erlaß von Vorschriften von Reichswegen fehlt, durch eine im Bundesrat herbeizuführende Verständigung unter den Bundesregierungen die Angelegenheit einheitlich zu regeln. Hier soll auch die Frage der äusseren Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge....zur Entscheidung gebracht werden....".

Das mit dieser Einleitung beginnende Rundschreiben vom 6. Februar 1903 gibt den ersten wirksamen Anstoß zur Vorbereitung und letztlich Einführung einer allgemeinen Kraftfahrzeug-Kennzeichnung im Rahmen einer entsprechenden deutschlandweit einheitlichen Verkehrsordnung.

Welche Vielzahl von Vorschriften und Regelungen hinsichtlich der Kennzeichnung in den Jahren vor Erreichung dieses Zieles zur Anwendung kommen und wie sich das Kennzeichenwesen danach und bis heute weiterentwickelt, soll für unsere Region in einer siebenteilig geplanten Manuskriptserie dargestellt werden.

Unter dem für die vorliegende Ausarbeitung abgesteckten, als "Rhein-Main-Raum" bezeichneten Betrachtungsgebiet soll aus praktischen Gründen das Gebiet des südlichen Teiles der ehemaligen preußischen Provinz Hessen-Nassau und das Gebiet des ehemaligen Großherzogtums bzw. des ehemaligen Volksstaates Hessen (somit der Großteil der südlichen Hälfte des heutigen Bundeslandes Hessen) sowie das Gebiet des angrenzenden bayrischen Regierungsbezirkes Unterfranken verstanden werden. Ist die Darstellung größerer Zusammenhänge angezeigt, wird der Raum weiter gefaßt. Da sich neben Neuverordnungen auch territoriale Veränderungen und Gebietsreformen auf die Kennzeichnung auswirken können (z. B. Änderung des Erkennungszeichens), werden solche Entwicklungen in erforderlichem Umfang ebenfalls berücksichtigt.

Das Kraftfahrzeug-Kennzeichnungswesen ist notwendigerweise mit der entsprechenden Gesetzgebung oder Verordnung und den dazugehörigen Vorschriftenwerken und Ausführungsbestimmungen sowie deren Weiterentwicklung verknüpft, was die Einbeziehung auch dieser Bereiche angezeigt erscheinen läßt. Schließlich werden zur Ergänzung der Darstellung einige entwicklungstechnische Themen gestreift.

Zum vorliegenden Teil I: Ende des 19. Jahrhunderts werden zur Regelung des unerwartet rasch zunehmenden Verkehrs mit dem neuen Verkehrsmittel Fahrrad von einzelnen Unterbehörden unterschiedlich gefaßte Verordnungen erlassen, welche neben Verhaltensvorschriften für den Fahrer Bestimmungen über Fahrzeugpapiere und gelegentlich Fahrzeugkennzeichen enthalten. Die Verordnungen werden wenig später und nach wie vor von nur einzelnen Behörden auf motorisierte Fahrräder und schließlich auf Motorwagen erweitert. Mit wachsendem Verkehrsaufkommen folgen erste landesweite Verordnungen und das Jahr 1906 sieht mit den "Grundzügen" des Bundesrates die erste reichsweit einheitliche Regelung. Das Reichsgesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen (1909) liefert die gesetzlichen Grundlagen.

Der durch Abbildungen ergänzte Text behandelt die Entwicklung von der Fahrrad-Numerierung im Betrachtungsgebiet über die Ersteinführung von Kraftfahrzeug-Kennzeichen in den deutschen Bundesstaaten bis zur ersten einheitlichen Regelung und ersten Vereinbarungen auf internationaler Ebene. Ein Anlageteil enthält neben Kennzeichenübersichten, Verteilungsplänen, Bestandslisten und statistischem Material Skizzen der alten Landkreise, Abbildungen von Fahrzeugpapieren, verschiedene technische Angaben sowie Quellennachweise und Literaturangaben.

Fortsetzung der Serie mit den Teilen II bis IV ( Heimatgeschichtliche Manuskripte Nr. 26, Nr. 34 und Nr. 46). Teile V bis VII in Vorbereitung.