Diedenberger Heimatgeschichtsverein

Nr. 18

Eine Tante von Philipp Keim wird 1815 vom Blitz getroffen.
Einige medizinhistorische Betrachtungen zur ärztlichen Versorgung in dieser Zeit.

von Michael Sachs

Im „Herzoglich Nassauischen allgemeinen Intelligenzblatt“ wurde ein ortsgeschichtlich wie auch medizinhistorisch interessanter Artikel aus dem Jahre 1815 gefunden, der im Original wiedergegeben ist. Darin wird berichtet, dass Philippine Karoline Petermann aus Oberliederbach, eine Tante von Philipp Keim, vom Blitz getroffen und trotz aller ärztlichen Bemühungen einige Stunden später verstorben ist.

Zu dieser Zeit gab es keine speziellen Behandlungsunterlagen, aber nach einer 1797 erschienenen „Anweisung zur Rettung von Ertrunkenen, Erstickten, Erhängten, vom Blitze Erschlagenen, Erfrorenen und Vergifteten“ des Braunschweiger Professors Wiedemann lassen sich die Behandlungsmethoden dieser Zeit rekonstruieren. Die hauptsächlichen Maßnahmen damaliger Ärzte beschränkten sich auf Schröpfen, Aderlassen und Purgieren. In den Anweisungen Wiedemanns findet man ein Nebeneinander von völlig veralteten und modern anmutenden Behandlungsmethoden. Einerseits beschreibt er z.B. eine „Tabakrauch-klistiermaschine (mit Abbildung), andererseits aber auch schon eine Intubation.

Ein spezielles Kapitel informiert „Über die vom Blitze Erschlagenen“, über Vorbeugung, Wirkungen des Blitzschlags auf den menschlichen Körper sowie die anzuwendende Therapie, die zur Wiederbelebung hauptsächlich die Nervenkraft reizen und unterstützen soll, wie z.B. Behandlung mit kaltem Wasser, Luft einblasen, Klistiere oder gelinde angewandte Elektrizität in der Herzgegend. Ist der Patient wieder zur Besinnung gekommen, werden herzstärkende Mittel appliziert, die gelähmten Stellen werden mit hautreizenden Mitteln, wie Salbe, die Kampfer oder Hirschhorngeist enthält, oder mit starkem Zugpflaster oder Senf behandelt. Die verbrannten Stellen werden nach den Grundsätzen der Wundarzneikunst versorgt.

Einige dieser Wiederbelebungsversuche dürften auch bei der Tante Philipp Keims eingesetzt worden sein.

Die dem Manuskript beigefügte „Übersicht über die verwandtschaftlichen Bande zwischen den Familien Keim aus Diedenbergen und Petermann in Oberliederbach“ gibt Aufschluss über die Beziehungen der beiden Lehrerfamilien.

Diedenbergen und Oberliederbach waren durch die jahrhundertelange gemeinsame eppsteinisch-hessische , auch konfessionelle Geschichte sehr miteinander verbunden. Davon zeugen zahlreiche Patenschaften zwischen den Familien beider Orte.

Die Lehrbücher des Doktor Wiedemann gehörten auch zum Bestand der Diedenberger Elementarschule.

(esch)